





Von Belgien also zur Ostsee nach Dievenow auf Wollin. Vermutlich
über Berlin und Stettin mit dem Zug, denn an einen Transport
mit einem Güterzug kann ich mich nicht erinnern. Die Oder fließt
durch das Stettiner Haff und darin liegen die beiden Inseln Usedom
und Wollin. Die ist mit den Flüssen Peene, Swine und Dievenow
mit der Ostsee verbunden. Die Dievenow liegt östlich und
ist nur ca. 30 Meter breit. Eine Holzbrücke war die Verbindung
zum Festland im Osten. Hier also und am Caminer Bodden war
unser Standort: See- und Landfliegerhorst DIEVENOW!
Luftnachrichtenschule 5 für die Ausbildung zuständig. Unterbringung
in Baracken der 2. BAK (Bordfunkerausbildungskompanie).
Wir Neuschüler aus Belgien waren mit den anderen, die schon
dort waren etwa 150 Mann. Es war Anfang Januar 1944.
Ausbildung stufenweise, jede Stufe dauerte 2 Monate. Vorstufe,
Anfangsstufe, Mittelstufe, Endstufe und Fertigstufe.
Zunächst wie bisher funken: Geben und Hören. Das Standardgerät
war das Funkgerät Nr. 10 (FUG 10). Im Funkbetrieb wurden
Funkverkehrsabkürzungen verwendet, so genannte Qv-Gruppen
etwa 300! Neben Morseschreibern wurde jetzt auch FUG 10 be
nutzt, weil es ja auch in den Flugzeugen war. Die Inbetriebnahme
des Gerätes war schon nicht einfach und die Herstellung von
Funkverbindungen auch nicht. Tasten, Hebel und Schalter waren
farbig markiert. Es gab sogar eine Exerzierordnung für Bordfunker
speziell für dieses Gerät, denn es musste ja schnell gehen während
des Fluges. Einstellung der Wellenlänge und der Frequenz
mussten geübt werden und andere Möglichkeiten. Das Gerät war
Sender und Empfänger zugleich. Der starke Pfeifton des Senders
musste in die Schwebelücke des Empfängers eingepfiffen werden.
Der Geber konnte zwar nichts hören was er tastete, wohl aber der
Empfänger. Es gab ein Verzeichnis der Rufzeichen von Flugplätzen
und Funkfeuern die ihr Zeichen ständig ausstrahlten.
Die Koppelnavigation ist die Grundlage für die Erreichung des
Flugzieles. Hilfsmittel: Flugkarten und Kompass, Uhr, Winkelmesser,
Lineal und spezieller patentierter Dreieckrechner. Windrichtung
und Windstärke waren unerlässlich. Bei einem Flug von
A nach B wurden auf der Flugkarte beide Punkte mit Bleistift und
Lineal verbunden. Mit dem runden Winkelmesser, 360 Grad, wurde
die Gradzahl abgelesen und somit die Hauptflugrichtung ermittelt.
Es war der rechtweisende Kurs: RwK.
Flug von West nach Ost etwa 90 Grad. Die magnetische Abweichung
war in den Karten mit 2° minus verzeichnet = Missweisen-
der Kurs. Nun mussten noch Windstärke und Windrichtung be
rücksichtigt und der Luvwinkel berechnet werden. Hierzu wurde
der Dreieckrechner benutzt. Bei einem Nordostwind driftete das
Flugzeug nach Süden ab. Der Luvwinkel war also minus und
musste von den 88° abgezogen werden. Rechtweisender Windkurs
= RwWk.
Der Bordfunker musste also den Kurs berechnen. An Bord befanden
sich ein Mutterkompass, ein Tochterkompass für den Bordfunker
und einer für den Flugzeugführer. Dieser flog nach dem
eingedrehten Kurs des Funkers. Natürlich musste manchmal der
Kurs berichtigt werden, wenn Turbulenzen waren.
Mit dem Peilgerät Nr. 1 war eine weitere Navigation möglich =
Funknavigation. Unterscheidung zwischen Eigenpeilung und
Fremdpeilung. Bei der Eigenpeilung wurden zwei Sender angepeilt,
bei den Peilungen schnell in die Karte eingetragen und ausgewertet.
Wo sich beide Funkstandlinien kreuzten war der Standort
des Flugzeuges, das aber schon längst weiter geflogen war.
Gebräuchlich war die Anpeilung des Funkfeuers auf Rönne und
Rixhöft bei Danzig.
Bei Fremdpeilungen wurde Peilzeichen A getastet: .Peilungen
wurden meistens nur im Lehrsaal gemacht. In einem
Lehrsaal waren etwa 10 Kabinen aufgebaut, die Arbeitsplätze des
Bordfunkers wie sie im Flugzeugrumpf waren. Wir sollten uns an
die Enge gewöhnen. In den ersten Monaten also Funkdienst und
Navigation üben, von 8 - 12 Uhr und von 14 - 18 Uhr. Schon in
der Vorstufe wurde Tempo 60 verlangt, das heißt 60 Funkzeichen/
Morsezeichen in der Minute abgeben und aufnehmen. Wer
nicht mit kam musste abends weiter üben. Später wurden auch
einige von uns abgelöst und woanders eingesetzt. Unser Hauptmann
war ein behäbiger Schwabe. Er wohnte im Offiziersheim
und fuhr immer mit dem Fahrrad an. Im politischen Unterricht
würden wir alles aus der Mausperspektive betrachten? Aber sonst
gab er jedem am Geburtstag dienstfrei, nach Rapport bei ihm. Er
wollte uns kennenlernen. Der Kompanieoffizier, Leutnant Lange,
war auch verträglich und trug schon hohe Auszeichnungen (Frontflugspange).
Ein Oberfeldwebel, der Navigation vermittelte, trug
sie auch. Mein Unteroffizier hieß Herbert Kind und trug das Bordfunkabzeichen,
was wir auch anstrebten. Er wurde auch später
noch Feldwebel.
Es war auch ein Fliegerschützen-Lehrgang vorgesehen. Aber zuerst
mit Karabiner 98 K, wie waren auf der Waffenkammer gelagert,
auf dem Schiessstand zur Gewöhnung. Schiessen mit Bordwaffen-
MG's war etwas ganz anderes. Waffenkunde und die
Handhabung/Benutzung üben.
MG 81 = 8 mm Kaliber mit Gurtzuführung
MG 81 Z = Zwillingswaffe, beide mit Fliegervisier
MG 131 = 13 mm Kaliber mit Reflexvisier/Fadenkreuz beleuchtet
MG 151 = 15 mm Kaliber und wie vor / Kassette
Das Schwierigste war vom Flugzeug auf ein anderes Flugzeug zu
schießen. Bei Anflügen und Abflügen vorhalten nach dem Ermessen
des Schützen. Bei uns wurde viel zuwenig Leuchtspurmunition
verwendet. Visierlinie: Auge des Schützen, Fadenkreuz, Ziel!
Aber die Flugzeuge flogen ja sehr schnell, Freund und Feind. Im
Lehrfilm den Gegner zu treffen war kein Problem. Mit einer
"Leuchtpunktwaffe" aus 25 m Entfernung. Wir haben nut vom
erdfesten Stand auf den Luftsack geschossen. Die Bordwaffen
hatten eine "Feuersperre", man konnte den Abzug drücken, es fiel
kein Schuss, weil sonst das eigene Flugzeug getroffen wurde.
Wie diese Sperre funktionierte ist mir ein Rätsel, denn so viele
freie Sektoren gab es ja nicht.
Dann der Flugzeugerkennungsdienst für eigene und feindliche
Flugzeuge. Der Bordfunker war ja nur Notschütze bei der Abwehr
von Angriffen.
Hauptsächlich waren wir mit der Funkausbildung und der Navigation
beschäftigt. Die Übungsflüge kamen erst viel später dran.
Jetzt bekamen wir auch den lang ersehnten Ausgang. Natürlich
nach Dienstschluss und meistens am Samstag und Sonntag. Die 1.
Garnitur erfüllte jetzt ihren Zweck und zierte uns junge Soldaten.
Stiefel wollte keiner tragen - nur die Schnürschuhe und die lange
Hose. Sie wurde Naht auf Naht gelegt und vorne, wo der KNIFF
hin sollte mit Malzkaffee angefeuchtet. Danach zwischen eine
Wolldecke gelegt und eine Nacht darauf geschlafen. Wie eitel wir
doch waren!
Jedenfalls sah eine Hose mit KNIFF besser aus als ohne. Den Uniformrock
an, das Käppi auf und das Koppel umgeschnallt und
fertig zum Ausgang. Wir sollten ja im Ostseebad einen ordentlichen
Eindruck machen!
Es gab einen öffentlichen Strand und einen Wehrmachtsstrand,
den wir benutzen sollten. Ich ging immer in den Caminer Bodden
baden, er war nur 200 Meter entfernt und auch sandig. Am Sonntag
brachte das weiße Bäderschiff, um 10 Uhr und um 12 Uhr, die
Tagesgäste aus Camin an. Natürlich kamen auch zig Mädchen mit,
denn sollten sie dort versauern?
Im Ort war die Attraktion das Strandcasino mit etwa 100 Plätzen!
Für uns gab es Fliegerbier und das Stammessen. Vier Musiker, die
zum Stamm der Schule gehörten, spielten zur Unterhaltung auf.
Jede Stunde, weil die Gäste oft wechselten, den Schlager BEL
AMI und das HAWAII-Lied. In Überlieferung für uns und nicht
öffentlich lautete der Text: Eine Insel aus Träumen geboren ist
Wollin, ist Wollin, dort hab ich meine Nerven verloren, auf Wol
lin, auf Wollin. Übers Meer himmelblau fliegt der alte Klapperkasten
der BV!
Der Sommer 1944 an der Ostsee war einfach wunderbar. An einem
Sonntag machte ich die Bekanntschaft von zwei Krankenschwestern
mit einer jungen Helferin. Es stellte sich heraus, dass
sie in dem Lazarett in Camin tätig waren. In Wald Dievenow haben
wir dann den ersten Nachmittag verbracht. Die folgenden
Sonntage kamen sie auch. Wir campierten im Wald vor der Düne.
Essen und Trinken hatten sie genug mit. Wir haben uns gut und
freundschaftlich unterhalten. Mit der jungen Helferin, sie hieß
Herta Kröger, ging ich dann einmal spazieren. Das Herumlungern
auf Decken waren wir leid. Später haben wir uns aber auch in den
Sand gesetzt. Plötzlich kam jemand in grüner Uniform angestürmt
und schrie mich an: "Verlassen Sie sofort mein Grundstück oder
ich melde Sie!" Ob er die RUSSEN im Frühjahr 1945 auch so angeschrieen
hat? Der Kerl war gut versorgter Wehrmachtsbeamter,
darum war Vorsicht geboten. Aber die Zeit für uns ging weiter.
Einmal hatte sich eine ME 107 nach Dievenow verirrt und wohl
auch zum Nachtanken. Der Flugplatz war ziemlich klein und beim
Abflug kam die Maschine nicht genug hoch. Sie flog direkt in den
Dachstuhl eines Steinbaus der Kaserne, ein Toter war zu beklagen.
Beim Absturz einer BV 138 gab es vier Tote. Der Flugzeugführer
hatte eine Steilkurve zu eng geflogen, die Tragfläche war also
wirkungslos.
Am 19.06.1944 wurde ich 19 Jahre alt und genoss den dienstfreien
Tag. Vorher war ich bei unserem Hauptmann in der Kompanie-
Schreibstube. Er gratulierte. An dem Tag hatte ich auch Glück,
denn die Kompanie machte eine Alarmübung und rannte an mir
vorbei nach OstDievenow.
Am 01.07.1944 bekam ich die zweite Schwinge auf den Kragenspiegel
und einen Winkel an den linken Ärmel genäht. Der Dienst
ging wie bisher weiter.
Am 19.07.1944 geschah das missglückte Attentat auf AH. Wir
erfuhren wenig darüber. Wenig später beeilten sich alle Kommandeure
und Einheitsführer den Treueeid zu leisten. Wir traten also
alle an, in 1. Garnitur und Stahlhelm auf den Köpfen. Die zweite
Eidesformel gesprochen und der Eid geleistet wie bisher auf den
überlebenden AH. Ab sofort wurde der HEIL-GRUSS eingeführt.
Er hielt sich bis zum 08.05.1945, danach galt wieder der militärische
Gruß (Soldatengruß).
Zu Pfingsten kam es fast zu einer Feindberührung. Die Flugzeugüberwachung
hatte drei feindliche einmotorige Flugzeuge
entdeckt. Wir wurden rechtzeitig gewarnt und konnten unsere drei
abwehrbereiten MG-Stände besetzen. An der Ostseite des Boddens,
wo die Flugzeugboote lagen, flogen sie vorbei. Es ging alles
rasend schnell und wir konnten nur einige Feuerstöße abgeben.
Bei Leuchtspurgeschossen hätten wir wenigstens sehen können,
ob wir getroffen hätten. Die Kleinflugzeuge, die ziemlich außerhalb
standen, erhielten vom Feind einige Treffer. Der Spuk war
schnell vorbei. Sicher gab es manchmal Fliegeralarm, aber wir
konnten unser Schulflugprogramm ungehindert durchführen.
Im Sommer 1944 war die Front noch weit weg. Die Ausbildung
ging weiter und es war noch viel zu lernen. Für zwei Wochen war
wieder exerzieren und kommandieren angesetzt. Alle Möglichkeiten
wurden geübt und mussten beherrschbar sein. Wir sollten ja
nicht nur Bordfunker werden und auch später mal Unteroffizier.
Der allgemeine militärische Dienst war wieder gefragt. Danach
standen die Übungsflüge an. Unser Fluggebiet war also die Ostsee
mit ihren langen und schönen Küsten.
Das von unseren Vorgängern genannte Idiotendreieck stimmte
voll und ganz. Von Dievenow nach Rönne auf Bornholm (Nord),
über Berlin und Stettin mit dem Zug, denn an einen Transport
mit einem Güterzug kann ich mich nicht erinnern. Die Oder fließt
durch das Stettiner Haff und darin liegen die beiden Inseln Usedom
und Wollin. Die ist mit den Flüssen Peene, Swine und Dievenow
mit der Ostsee verbunden. Die Dievenow liegt östlich und
ist nur ca. 30 Meter breit. Eine Holzbrücke war die Verbindung
zum Festland im Osten. Hier also und am Caminer Bodden war
unser Standort: See- und Landfliegerhorst DIEVENOW!
Luftnachrichtenschule 5 für die Ausbildung zuständig. Unterbringung
in Baracken der 2. BAK (Bordfunkerausbildungskompanie).
Wir Neuschüler aus Belgien waren mit den anderen, die schon
dort waren etwa 150 Mann. Es war Anfang Januar 1944.
Ausbildung stufenweise, jede Stufe dauerte 2 Monate. Vorstufe,
Anfangsstufe, Mittelstufe, Endstufe und Fertigstufe.
Zunächst wie bisher funken: Geben und Hören. Das Standardgerät
war das Funkgerät Nr. 10 (FUG 10). Im Funkbetrieb wurden
Funkverkehrsabkürzungen verwendet, so genannte Qv-Gruppen
etwa 300! Neben Morseschreibern wurde jetzt auch FUG 10 be
nutzt, weil es ja auch in den Flugzeugen war. Die Inbetriebnahme
des Gerätes war schon nicht einfach und die Herstellung von
Funkverbindungen auch nicht. Tasten, Hebel und Schalter waren
farbig markiert. Es gab sogar eine Exerzierordnung für Bordfunker
speziell für dieses Gerät, denn es musste ja schnell gehen während
des Fluges. Einstellung der Wellenlänge und der Frequenz
mussten geübt werden und andere Möglichkeiten. Das Gerät war
Sender und Empfänger zugleich. Der starke Pfeifton des Senders
musste in die Schwebelücke des Empfängers eingepfiffen werden.
Der Geber konnte zwar nichts hören was er tastete, wohl aber der
Empfänger. Es gab ein Verzeichnis der Rufzeichen von Flugplätzen
und Funkfeuern die ihr Zeichen ständig ausstrahlten.
Die Koppelnavigation ist die Grundlage für die Erreichung des
Flugzieles. Hilfsmittel: Flugkarten und Kompass, Uhr, Winkelmesser,
Lineal und spezieller patentierter Dreieckrechner. Windrichtung
und Windstärke waren unerlässlich. Bei einem Flug von
A nach B wurden auf der Flugkarte beide Punkte mit Bleistift und
Lineal verbunden. Mit dem runden Winkelmesser, 360 Grad, wurde
die Gradzahl abgelesen und somit die Hauptflugrichtung ermittelt.
Es war der rechtweisende Kurs: RwK.
Flug von West nach Ost etwa 90 Grad. Die magnetische Abweichung
war in den Karten mit 2° minus verzeichnet = Missweisen-
der Kurs. Nun mussten noch Windstärke und Windrichtung be
rücksichtigt und der Luvwinkel berechnet werden. Hierzu wurde
der Dreieckrechner benutzt. Bei einem Nordostwind driftete das
Flugzeug nach Süden ab. Der Luvwinkel war also minus und
musste von den 88° abgezogen werden. Rechtweisender Windkurs
= RwWk.
Der Bordfunker musste also den Kurs berechnen. An Bord befanden
sich ein Mutterkompass, ein Tochterkompass für den Bordfunker
und einer für den Flugzeugführer. Dieser flog nach dem
eingedrehten Kurs des Funkers. Natürlich musste manchmal der
Kurs berichtigt werden, wenn Turbulenzen waren.
Mit dem Peilgerät Nr. 1 war eine weitere Navigation möglich =
Funknavigation. Unterscheidung zwischen Eigenpeilung und
Fremdpeilung. Bei der Eigenpeilung wurden zwei Sender angepeilt,
bei den Peilungen schnell in die Karte eingetragen und ausgewertet.
Wo sich beide Funkstandlinien kreuzten war der Standort
des Flugzeuges, das aber schon längst weiter geflogen war.
Gebräuchlich war die Anpeilung des Funkfeuers auf Rönne und
Rixhöft bei Danzig.
Bei Fremdpeilungen wurde Peilzeichen A getastet: .Peilungen
wurden meistens nur im Lehrsaal gemacht. In einem
Lehrsaal waren etwa 10 Kabinen aufgebaut, die Arbeitsplätze des
Bordfunkers wie sie im Flugzeugrumpf waren. Wir sollten uns an
die Enge gewöhnen. In den ersten Monaten also Funkdienst und
Navigation üben, von 8 - 12 Uhr und von 14 - 18 Uhr. Schon in
der Vorstufe wurde Tempo 60 verlangt, das heißt 60 Funkzeichen/
Morsezeichen in der Minute abgeben und aufnehmen. Wer
nicht mit kam musste abends weiter üben. Später wurden auch
einige von uns abgelöst und woanders eingesetzt. Unser Hauptmann
war ein behäbiger Schwabe. Er wohnte im Offiziersheim
und fuhr immer mit dem Fahrrad an. Im politischen Unterricht
würden wir alles aus der Mausperspektive betrachten? Aber sonst
gab er jedem am Geburtstag dienstfrei, nach Rapport bei ihm. Er
wollte uns kennenlernen. Der Kompanieoffizier, Leutnant Lange,
war auch verträglich und trug schon hohe Auszeichnungen (Frontflugspange).
Ein Oberfeldwebel, der Navigation vermittelte, trug
sie auch. Mein Unteroffizier hieß Herbert Kind und trug das Bordfunkabzeichen,
was wir auch anstrebten. Er wurde auch später
noch Feldwebel.
Es war auch ein Fliegerschützen-Lehrgang vorgesehen. Aber zuerst
mit Karabiner 98 K, wie waren auf der Waffenkammer gelagert,
auf dem Schiessstand zur Gewöhnung. Schiessen mit Bordwaffen-
MG's war etwas ganz anderes. Waffenkunde und die
Handhabung/Benutzung üben.
MG 81 = 8 mm Kaliber mit Gurtzuführung
MG 81 Z = Zwillingswaffe, beide mit Fliegervisier
MG 131 = 13 mm Kaliber mit Reflexvisier/Fadenkreuz beleuchtet
MG 151 = 15 mm Kaliber und wie vor / Kassette
Das Schwierigste war vom Flugzeug auf ein anderes Flugzeug zu
schießen. Bei Anflügen und Abflügen vorhalten nach dem Ermessen
des Schützen. Bei uns wurde viel zuwenig Leuchtspurmunition
verwendet. Visierlinie: Auge des Schützen, Fadenkreuz, Ziel!
Aber die Flugzeuge flogen ja sehr schnell, Freund und Feind. Im
Lehrfilm den Gegner zu treffen war kein Problem. Mit einer
"Leuchtpunktwaffe" aus 25 m Entfernung. Wir haben nut vom
erdfesten Stand auf den Luftsack geschossen. Die Bordwaffen
hatten eine "Feuersperre", man konnte den Abzug drücken, es fiel
kein Schuss, weil sonst das eigene Flugzeug getroffen wurde.
Wie diese Sperre funktionierte ist mir ein Rätsel, denn so viele
freie Sektoren gab es ja nicht.
Dann der Flugzeugerkennungsdienst für eigene und feindliche
Flugzeuge. Der Bordfunker war ja nur Notschütze bei der Abwehr
von Angriffen.
Hauptsächlich waren wir mit der Funkausbildung und der Navigation
beschäftigt. Die Übungsflüge kamen erst viel später dran.
Jetzt bekamen wir auch den lang ersehnten Ausgang. Natürlich
nach Dienstschluss und meistens am Samstag und Sonntag. Die 1.
Garnitur erfüllte jetzt ihren Zweck und zierte uns junge Soldaten.
Stiefel wollte keiner tragen - nur die Schnürschuhe und die lange
Hose. Sie wurde Naht auf Naht gelegt und vorne, wo der KNIFF
hin sollte mit Malzkaffee angefeuchtet. Danach zwischen eine
Wolldecke gelegt und eine Nacht darauf geschlafen. Wie eitel wir
doch waren!
Jedenfalls sah eine Hose mit KNIFF besser aus als ohne. Den Uniformrock
an, das Käppi auf und das Koppel umgeschnallt und
fertig zum Ausgang. Wir sollten ja im Ostseebad einen ordentlichen
Eindruck machen!
Es gab einen öffentlichen Strand und einen Wehrmachtsstrand,
den wir benutzen sollten. Ich ging immer in den Caminer Bodden
baden, er war nur 200 Meter entfernt und auch sandig. Am Sonntag
brachte das weiße Bäderschiff, um 10 Uhr und um 12 Uhr, die
Tagesgäste aus Camin an. Natürlich kamen auch zig Mädchen mit,
denn sollten sie dort versauern?
Im Ort war die Attraktion das Strandcasino mit etwa 100 Plätzen!
Für uns gab es Fliegerbier und das Stammessen. Vier Musiker, die
zum Stamm der Schule gehörten, spielten zur Unterhaltung auf.
Jede Stunde, weil die Gäste oft wechselten, den Schlager BEL
AMI und das HAWAII-Lied. In Überlieferung für uns und nicht
öffentlich lautete der Text: Eine Insel aus Träumen geboren ist
Wollin, ist Wollin, dort hab ich meine Nerven verloren, auf Wol
lin, auf Wollin. Übers Meer himmelblau fliegt der alte Klapperkasten
der BV!
Der Sommer 1944 an der Ostsee war einfach wunderbar. An einem
Sonntag machte ich die Bekanntschaft von zwei Krankenschwestern
mit einer jungen Helferin. Es stellte sich heraus, dass
sie in dem Lazarett in Camin tätig waren. In Wald Dievenow haben
wir dann den ersten Nachmittag verbracht. Die folgenden
Sonntage kamen sie auch. Wir campierten im Wald vor der Düne.
Essen und Trinken hatten sie genug mit. Wir haben uns gut und
freundschaftlich unterhalten. Mit der jungen Helferin, sie hieß
Herta Kröger, ging ich dann einmal spazieren. Das Herumlungern
auf Decken waren wir leid. Später haben wir uns aber auch in den
Sand gesetzt. Plötzlich kam jemand in grüner Uniform angestürmt
und schrie mich an: "Verlassen Sie sofort mein Grundstück oder
ich melde Sie!" Ob er die RUSSEN im Frühjahr 1945 auch so angeschrieen
hat? Der Kerl war gut versorgter Wehrmachtsbeamter,
darum war Vorsicht geboten. Aber die Zeit für uns ging weiter.
Einmal hatte sich eine ME 107 nach Dievenow verirrt und wohl
auch zum Nachtanken. Der Flugplatz war ziemlich klein und beim
Abflug kam die Maschine nicht genug hoch. Sie flog direkt in den
Dachstuhl eines Steinbaus der Kaserne, ein Toter war zu beklagen.
Beim Absturz einer BV 138 gab es vier Tote. Der Flugzeugführer
hatte eine Steilkurve zu eng geflogen, die Tragfläche war also
wirkungslos.
Am 19.06.1944 wurde ich 19 Jahre alt und genoss den dienstfreien
Tag. Vorher war ich bei unserem Hauptmann in der Kompanie-
Schreibstube. Er gratulierte. An dem Tag hatte ich auch Glück,
denn die Kompanie machte eine Alarmübung und rannte an mir
vorbei nach OstDievenow.
Am 01.07.1944 bekam ich die zweite Schwinge auf den Kragenspiegel
und einen Winkel an den linken Ärmel genäht. Der Dienst
ging wie bisher weiter.
Am 19.07.1944 geschah das missglückte Attentat auf AH. Wir
erfuhren wenig darüber. Wenig später beeilten sich alle Kommandeure
und Einheitsführer den Treueeid zu leisten. Wir traten also
alle an, in 1. Garnitur und Stahlhelm auf den Köpfen. Die zweite
Eidesformel gesprochen und der Eid geleistet wie bisher auf den
überlebenden AH. Ab sofort wurde der HEIL-GRUSS eingeführt.
Er hielt sich bis zum 08.05.1945, danach galt wieder der militärische
Gruß (Soldatengruß).
Zu Pfingsten kam es fast zu einer Feindberührung. Die Flugzeugüberwachung
hatte drei feindliche einmotorige Flugzeuge
entdeckt. Wir wurden rechtzeitig gewarnt und konnten unsere drei
abwehrbereiten MG-Stände besetzen. An der Ostseite des Boddens,
wo die Flugzeugboote lagen, flogen sie vorbei. Es ging alles
rasend schnell und wir konnten nur einige Feuerstöße abgeben.
Bei Leuchtspurgeschossen hätten wir wenigstens sehen können,
ob wir getroffen hätten. Die Kleinflugzeuge, die ziemlich außerhalb
standen, erhielten vom Feind einige Treffer. Der Spuk war
schnell vorbei. Sicher gab es manchmal Fliegeralarm, aber wir
konnten unser Schulflugprogramm ungehindert durchführen.
Im Sommer 1944 war die Front noch weit weg. Die Ausbildung
ging weiter und es war noch viel zu lernen. Für zwei Wochen war
wieder exerzieren und kommandieren angesetzt. Alle Möglichkeiten
wurden geübt und mussten beherrschbar sein. Wir sollten ja
nicht nur Bordfunker werden und auch später mal Unteroffizier.
Der allgemeine militärische Dienst war wieder gefragt. Danach
standen die Übungsflüge an. Unser Fluggebiet war also die Ostsee
mit ihren langen und schönen Küsten.
Das von unseren Vorgängern genannte Idiotendreieck stimmte
voll und ganz. Von Dievenow nach Rönne auf Bornholm (Nord),
dann nach Rixhöft (Ost) und zurück nach Dievenow (West).
Länge etwa 600 km; Flugzeit 3 Stunden; Flug in beide Richtungen
im Wechsel
Die Übungsmaschinen waren:
1. BV 138 = fliegender Pantoffel genannt, wegen der Form des
Bootskörpers, Hersteller Blohm & Voß
3 Motoren
2. Do 17 = fliegender Wal genannt, wegen der Form des Bootskörpers,
Hersteller Donier
1 Reihenmotor
Die Übungsflüge begannen schon von der Mittelstufe an, weil alle
anderen Schüler auch fliegen wollten. Nur Schönwetterflüge, Beginn
morgens, ohne Waffen. Zuerst die Flugbesprechung in dem
kleinen Hangar und der Meteorologe (Wetterfrosch) erläuterte das
Wetter. Wichtig für uns waren Windrichtung und Windstärke.
Dann wurde der Kurs berechnet und auf einem Kurszettel notiert.
Änderte sich der Wind während des Fluges war eine Neuberechnung
nötig. Meistens war der Seewind aus Nordost. Die erste
Flugbesprechung war sehr ausgiebig und wir erinnerten uns immer
an die Fakten. Fliegerkombinationen, Kopfhaube mit Hörer
und Kabelanschluss zum Gerät waren angetan. Am Schluss noch
die wulstige Schwimmweste aus Kapokfasern angelegt und fertig
ab. Der Flugzeugführer hatte uns erläutert, dass er mit einem
"Schaukelstart" beginnen würde. Die erzeugten Wellen mussten
sein, sonst bekäme er die Maschine nicht hoch. Die Flugstrecke ist
ja schon beschrieben worden und der Kurs war mit dem Kompass
eingedreht. War der Flugzeugführer mit ihm nicht einverstanden,
dann wackelte die Kompassnadel beim Bordfunker wie verrückt
hin und her. Wie oft hatte der Flugzeugführer das "Idiotendreieck"
abgeflogen? Funksprüche mit diversen Flugplätzen wurden geführt.
Das Anpeilen der Funkfeuer Rönne und Rixhöft war relativ
einfach, Standortbestimmung durch Eigenpeilung. Bei einer
Fremdpeilung mussten uns zwei Sender (Flugplätze) anpeilen,
nachdem wir vorher Peilzeichen gegeben hatten. Peilzeichen war
die A, Anforderung qta = --.-/-/.Auswertung
der beiden Funkstandlinien und Eintrag in die Karte
mit Bleistift. Funkverkehr und Peilungen mussten sehr schnell
gehen. Der Arbeitsplatz des Bordfunkers war sehr klein und eng.
FUG 10 und PEILG 1 und der Tisch mit Sitz nahmen viel Platz
weg. Das Navigationsbesteck, in einem flachen Blechkasten untergebracht
von 30 x 30 cm, musste ja auch benutzt werden. Die
Flugstrecke hat jeder etwa sieben Mal durchflogen. In
Friedenszeiten dauerte die Ausbildung eines Bordfunkers sehr viel
länger. Gleichwohl hofften wir, dass es bei künftigen Einsätzen
auch klappen würde. Wasser hat zwar keine Balken, aber bei der
Landung eines Flugbootes doch. Es ist auch bis auf den Absturz
einer BV 138 mit vier Toten nichts passiert.
Danach der übliche Dienst im Lehrsaal und auch draußen, jetzt
waren wir schon in der Endstufe. Eines Tages mussten wir noch
zum Flugplatz Greifenhagen/Pommern. Das Übungsflugzeug war
die zweimotorige Junkers JU 86 K (Plastikbomber). Über Land
wurden einige Runden mit Funkverkehr gedreht und das qga-
Landeverfahren geübt. Der Sender vom Flugplatz strahlte mit
starkem Dauerton die gerade Anfluglinie aus. Links hiervon ertönten
Punkte und rechts davon Striche. Der Flugzeugführer konnte
also den Kurs entsprechend ändern. Er war ja mit einer Bordleitung
tung mit dem FUG 10 verbunden und konnte mithören. Der Bordfunker
stellte vorher die Funkverbindung her und drehte seinen
Kompass auf den Dauerton ein. Von Greifenhagen zurück nach
Dievenow wo es für uns ja keine Landflugzeuge gab. Es stand
noch die Fertigstufe an, mit der Ausbildung im Blindflug-
Landeverfahren. Wegen Benzinmangel für Ausbildungsflüge fiel
diese aber aus.
Die herrliche Küstenlandschaft aus der Luft zu sehen war einfach
wunderbar. Einmal flog ich sogar mit bis nach Pillau an der Frischen
Nehrung. Das war jetzt vorbei.
Unserem Kompaniechef war befohlen worden noch 44 Mann zu
einem seemännischen Lehrgang zu schicken. Er versicherte uns,
ich war dabei, dass wir danach noch im SEENOTDIENST eingesetzt
würden.
Also ade Wollin und ab nach Rügen. Hier gab es eine Seefahrtschule
der Luftwaffe mit einem kleinen Hafen. Der Ort hieß
GAGER und lag am rügischen Bodden. Wir haben also die sechs
Wochen Ausbildung absolviert, denn sie waren ja für die Rettung
aus Seenot nötig. Der Ausgangszielort GÖHREN wurde nach der
Wende zu einem Urlaubsort für mich und meine Frau.
Von 1995 bis 2006 waren wir jedes Jahr da. Der kleine Hafen in
Gager wird jetzt zu einem großen Yachthafen ausgebaut.
Nur dienstlich ging es nicht weiter, die ROTE ARMEE war auch
an der Ostsee im Vormarsch. Der spätere Einsatz für uns dort im
Seenotdienst hatte sich zerschlagen. Als überzählige Bordfunker
wurden wir zur Sammelstelle in Halle/Saale in Marsch gesetzt.
Hier war die Nachrichtenschule der Luftwaffe Nr. 1 mit Flugplatz.
Es war eine sehr große Kaserne. Jeden Morgen versammelten sich
alle überzähligen Bordfunker zur "RONDE" in dem größten
Raum den es gab. Es waren etwa 200 bis 300, die meisten mit hohen
Auszeichnungen dekoriert. Der Zweck war ja alle irgendwo
einzusetzen. Der Leiter/Vortragende bot folgende Möglichkeiten
an:
Kampfschwimmer, Rammjäger, Panzer Königstiger, Fallschirmjäger,
Waffen-SS. Also Freiwillige vor!
(Bevor man in einer Kampftruppe verschwand.) Unser Oberfeldwebel,
er hatte die Führung über unser Häuflein übernommen,
wollte nichts überstürzen und zu keiner Einzelmeldung raten. Eines
Tages suchte die Flakgruppe West 40 Funker, dies war unsere
Chance! Der Oberfeldwebel nahm uns alle mit nach vorne und
meldete uns als Freiwillige an. Er verhandelte erfolgreich und bekam
tatsächlich den Sammel-Marschbefehl zur Flakgruppe West.
Also fertig machen zum Abmarsch mit Waffen und Ausrüstung,
die wir ja seit Abzug von Dievenow immer bei uns hatten. Für den
98 K bekam jeder Notmunition in die Patronentaschen, für alle
unvorhergesehenen Fälle. Also unser Häuflein zum Bahnhof und
Züge benutzen soweit wie es geht. Die Fahrt dauerte zwei Tage
und endete in Grevenbroich. Hier begann der Sammelraum für die
Ardennenoffensive, die am 16.12.1944 begann. Ich wurde mit vier
anderen Funkern der 19. Flakbrigade zugeteilt.
Die schöne Ostsee mit der langen Küste und frischer Luft ist für
uns nun vorbei. Hier wird die bald blei- und eisenhaltig sein!
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